Interview mit dem neuen Landessingwart

Am 1. Januar trat Achim Plagge sein neues landeskirchliches Kantorenamt an. Der Name „Landessingwart“ umschreibt die eine Hälfte des Dienstauftrages, sich um die Chorarbeit der Landeskirche zu kümmern ähnlich wie die Landesposaunenwarte für die Bläserarbeit. Die andere Hälfte umfasst die Beauftragung für Aus- und Fortbildung in Nachfolge von Prof. Carsten Klomp, der sich künftig ganz auf seine Arbeit an der Hochschule für Kirchenmusik konzentrieren wird. So neu wie die Stelle ist auch ihr Name, der nach Überwindung formaler Hürden und Anpassung entsprechender Regelungen auch noch einmal geändert wird, z.B. in „Landeskantor für das Chorsingen“.
Susanne Moßmann stellte dem neuen Landessingwart Achim Plagge folgende Fragen:
Was hat Dich bewogen, Dich auf die Stelle als Landessingwart zu bewerben?
In gut 20 Jahren auf einer Bezirkskantorenstelle mit vielfältigen Möglichkeiten im Kirchenbezirk Eberbach-Neckargemünd konnte ich musikalisch und menschlich prägende und wertvolle Erfahrungen sammeln, viel musikalisch gestalten und Menschen vom Kindergarten bis ins betagte Alter zum Singen bringen. Das ist dann auch schon der zentrale Punkt: Menschen zum Singen zu motivieren ist mein großes Anliegen. Ich bringe gerne Menschen zusammen, unterrichte leidenschaftlich gern Chorleitung, kann gut organisieren und kommunizieren. Und ich habe nun mehr Raum, mich zusammen mit meiner Kollegin Anne Langenbach um die Landesjugendkantorei zu kümmern, die mir sehr am Herzen liegt.
Der erste Arbeitsschwerpunkt im Chorbereich wird die Vorbereitung des Chorfestes 2021 sein. Wo siehst Du mittelfristig weitere Handlungsfelder, um das Chorsingen in unserer Landeskirche zu stärken und zu fördern?
Zum einen brauchen wir mehr Nachwuchs im Bereich Chorleitung. In unseren nebenamtlichen Ausbildungsgängen sind deutlich mehr Menschen im Bereich Orgel in Ausbildung. Das ist gut und sehr wichtig, weil wir viele Menschen brauchen, die die singende Gemeinde begleiten, aber der Bereich Chorleitung braucht neue Impulse. Gemeinsam mit den KantorenkollegInnen werden wir neue Strukturen für die Heranführung und Ausbildung von Chorleiternachwuchs kreieren und finden.
Mein Anliegen zum anderen ist, Chöre zusammen zu bringen, Fortbildungsangebote für Choristen und Chorleitende anzubieten, den Austausch untereinander über die Bezirke hinaus zu fördern und auch die Verbindung zwischen Chören und Chorverband zu stärken.
Die Abgrenzungen zwischen klassischer und populärer Musik zu verkleinern ist mir wichtig. Mit meinen Jugendchören praktiziere ich die stilistische Vielfalt. Wir singen klassische und populäre Chorwerke wie selbstverständlich nebeneinander im Konzert und haben so eine große Bandbreite, die ich gern vermittle. Die Jugendlichen bekommen so Zugang zu den sehr unterschiedlichen Klangwelten der Musik und machen damit positive Erfahrungen.
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und den fachlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen möchte ich pflegen. Sie haben die guten Kontakte in ihre Bezirke und kennen die Chorszene vor Ort bestens.
Chorfeste und Events sind eine gute Möglichkeit, um mit Choristen und Chorleitenden aus der ganzen Landeskirche in Kontakt zu kommen. Neben dem Chorfest 2021 wird es einige Termine geben, wo Choristen unser neues Chorheft und auch mich kennenlernen können.
Kirchliche Chorarbeit wird ja oft als „auslaufendes Modell“ bezeichnet, und der „klassische Kirchenchor“ gilt manchen als verstaubt und überaltert. Würdest Du dem zustimmen und was siehst Du an zukunftsträchtigen Modellen für Chorarbeit, auch auf dem Land?
Es ist tatsächlich so, dass einige Kirchenchöre als feste Gemeinschaft älter geworden sind und große Sorgen haben, ob sie in den nächsten fünf Jahren noch drei- oder vierstimmig singen können. In meinem bisherigen ländlich geprägten Kirchenbezirk konnte ich dahingehend wirken, dass Chorarbeit in der Kirche als sehr lebendig und vielfältig erlebt wird. Wir brauchen gute Nachwuchsarbeit im Kinder- und Jugendbereich und müssen bestehenden Chören Hilfestellungen geben, wie sie Zutrauen zu sich selbst gewinnen, ein ansprechendes Repertoire zu präsentieren, sich zu öffnen für regionale oder überregionale Chortreffen. Das neue Chorheft wird dazu einen guten Beitrag leisten, der neue Anhang mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen tut es und ich suche den Dialog zu unseren Chören – biete auch gerne an, Chöre zu besuchen. Über die Chorarbeit mit Senioren können wir noch viel lernen.
Die zweite Hälfte deiner Stelle umfasst ja die Aus- und Fortbildung. Seit dem Ende von Schloss Beuggen und dem Umzug nach Heidelberg hat es das Haus der Kirchenmusik – das künftig Akademie für Kirchenmusik heißen wird – nicht unbedingt leicht gehabt. Wirst Du gleich etwas verändern, oder erstmal das Kurs-System wie bisher weiterführen?
Mein erster Arbeitstag war der 1. Januar mit der Leitung eines Ausbildungskurses, den Carsten Klomp noch bestens organisiert hat und da auch intensiv beratend mitgearbeitet hat. Ebenso stehen die Kurse für das Jahr 2020. Einen Kurs musste ich terminlich verlegen, was glücklicherweise möglich war. Der 2. Ferienkurs am Ende der Sommerferien wird nun in den Pfingstferien vom 9.-14. Juni 2020 stattfinden, da die Landesjugendkantorei stets am Ende der Sommerferien eine Proben- und Konzertphase hat, die sehr gut läuft.
Am 13. Mai findet ein Ausbildungsgipfel auf breiter Basis statt, bei dem wir intensiv über die Bedürfnisse der Ausbildung für die nächsten Jahre nachdenken werden. Auf die Aus- und Fortbildungsangebote 2021 wird sich dieser Termin sicher auswirken.
Wie siehst Du über deine gut 20 Jahre als Bezirkskantor die Entwicklung im Bereich des kirchenmusikalischen Nachwuchses? Was wird in den Gemeinden gebraucht? Wie können wir Kirchenmusikalische Ausbildung attraktiv machen?
Unsere Ausbildung ist schon sehr attraktiv. Wir müssen sie aber bekannter machen, mehr Menschen darauf aufmerksam machen. In einer Zeit, in der die Zahlen der kirchlich sozialisierten Menschen deutlich sinken, müssen wir Wege finden, Menschen auf dieses Angebot hinzuweisen. Über Kooperationen mit Musikschulen, musikalische Jugendarbeit in den Gemeinden, Zusammenarbeit mit der Ausbildung der Posaunenarbeit. Gerade junge Menschen, die positiv mit kirchlicher musikalischer Arbeit in Berührung kommen, müssen noch stärker auf unser Ausbildungsangebot hingewiesen werden, immer wieder. Jugendliche brauchen manchmal ein paar „Anschubser“ mehr. Hier müssen wir uns als Kantoren auch noch mehr trauen….
Die Erfahrungen der letzten Jahre in meinem Bereich waren unterschiedlich. Wir haben viele junge Menschen ausgebildet. Aber unsere „Lieblingszielgruppe“ im ländlichen Bereich sind Menschen, die die nächsten Jahre auch in der Region wohnen bleiben, in der und für die wir sie ausbilden. Selten bleiben jugendliche Orgelspielende über den Schulabschluss hinaus ihrer Kirchengemeinde erhalten. Da können wir alle (ich habe auch noch die Perspektive des Bezirkskantors) in unserer Gemeinde, auf Pfarrkonventen, Chorleiter- und Organistentreffen und Bezirkssynoden noch stärker den Dialog suchen, um Menschen für unsere Arbeit zu begeistern.
Im Ausbildungsbereich werde ich sicher die Ausbildung im Bereich Kinder- und Jugendchorleitung sowie der Gospelchorleitung stärker in den Blick nehmen und bin mir sicher, dass wir dafür auch Menschen gewinnen können, da das Chorsingen insgesamt in unserer Gesellschaft an Präsenz und positivem Image in den letzten Jahren gewonnen haben.
Natürlich benötigen wir dann zusätzliche Kurse, um diese Menschen auszubilden, aber da bin ich zuversichtlich, dass wir Kursmodelle und Örtlichkeiten finden werden.
Manche deiner bisherigen Arbeitsfelder bleiben dir ja erhalten: die Landesjugendkantorei wirst Du weiterhin im bewährten Team leiten, und auch im Chorverband wirst Du weiter verantwortlich mitarbeiten. Sicherlich kommen Dir Deine Kontakte zu den Kantorenkollegen und deine Berufserfahrung in der badischen Landeskirche auch entgegen. Worauf freust Du Dich am meisten, und welcher Arbeitsbereich bereitet Dir Sorgenfalten oder Kopfzerbrechen?
Am meisten freue ich mich auf die neuen Arbeitsfelder, die Veränderung des Aufgabenbereichs. Sorgenfalten habe ich keine. Die Zeit des Übergangs ist und war zeitlich und emotional sehr aufwändig und geprägt von mehrfacher Inanspruchnahme: Bis zur Verabschiedung am 2. Weihnachtsfeiertag mit vollem Engagement auf der bisherigen Stelle arbeiten, die Planungen für die Vakanzzeit und die Übergabe organisieren, sowie die Notwendigkeiten der frühzeitigen Planung und Einarbeitung in Teile der neue Stelle erledigen. Ende Januar kehrt da aber deutlich mehr Ruhe ein und ich freue mich sehr auf die Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten der neuen Stelle und auf die vielfältige Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen unserer Landeskirche. Da ich gerne mit Menschen zusammenarbeite, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir für alle Herausforderungen Lösungen finden werden. Mein Glaube an Gottes Begleitung auf diesem Weg stärkt mich dabei.
Wenn man den neuen Landessingwart persönlich erleben will – wo hat man außer bei den Heidelberger Kursen der D- und C- Ausbildung dazu Gelegenheit?
In diesem Jahr 2020 gibt es drei Veranstaltungen, die neugierig aufs Chorfest machen sollen: In Karlsruhe bei der Nacht der Chöre am 10. Juli, am 26. September in Freiburg in der Christuskirche und am 10. Oktober im Evang. Gemeindehaus in Walldorf. Ich freue mich auf alle Begegnungen!

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