Die Creative Kirche Witten hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach große Pop-Oratorien (Die zehn Gebote, Amazing grace) durchgeführt. Im Reformationsjubiläumsjahr konnte es nur das Thema „Luther“ sein. Aus der Feder von Dieter Falk und Michael Kunze stammt das Stück, dass in mehreren großen Produktionen durch Deutschland tourt. Den Chorpart übernehmen dabei jeweils regionale Chorgruppen – am 11. Februar in Mannheim waren es knapp 2200 Sängerinnen und Sänger.
Von Charlotte Reule-Giles
Gestern in einem Café in Kehl: Ich sehe direkt auf eine Kirche, die ein großes Martin-Luther-Banner trägt mit der Aufschrift: „Am Anfang war das Wort…“ und automatisch stimme ich zum Erstaunen der Herumsitzenden leise das entsprechende Lied aus dem Pop-Oratorium Luther an. So geht mir das häufig, dabei liegt die Aufführung von „LUTHER“ nun doch schon nahezu 2 Monate zurück. Doch der Reihe nach:
Im vergangenen Jahr machte uns der Kantor unserer Eberbacher Kantorei und Bezirkskantor Neckargemünds, KMD Achim Plagge, darauf aufmerksam, dass anlässlich des Luther-Jahres 2017 ein Musical über die für die Reformation entscheidenden Jahre des Lebens Luthers aufgeführt würde, und zwar in verschiedenen Städten Deutschlands. Ein Mammut-Projekt, zu dem Tausende von Mitwirkenden gesucht würden. Sofort entschloss ich mich, mitzumachen, da ich noch nie an einem solchen Mega-Ereignis teilgenommen hatte – eigentlich auch nicht mein Ding – außerdem aber Herr Plagge nicht nur die Proben vor Ort leiten, sondern das Werk auch auf regionaler Ebene einstudieren würde, zusammen mit Maurice Croissant, dem Bezirkskantor Pirmasens. Die Aufführung selbst am 11. Februar in Mannheim würden dann auch beide gemeinschaftlich als unsere „Chor-Dompteure“ – wie ich sie insgeheim später nannte angesichts einer Miwirkendenschar von ca. 2.200 in Mannheim – zusammen mit Heribert Feckler, dem die musikalische Gesamtleitung oblag, dirigieren.
Der „Dressurakt“ ist m. E. bestens gelungen. Eingangs war ich dann doch skeptisch: So viele Sänger/innen, wie sollte das gutgehen? Das ganze Unterfangen entpuppte sich dann aber als Oratorium und nicht als Musical. Eine richtige Choreographie mit dieser Anzahl Menschen wäre ja auch schlichtweg unmöglich gewesen. Zunächst fand ich auch die Texte etwas schlicht. Aber im Laufe der Proben stellte ich fest, dass sie durchaus Tiefgang hatten, und als die Hauptdarsteller, die wirklich Musical boten, dann dazu kamen, war ich einfach nur begeistert. Ich befasste mich intensiver mit den Texten und fand sie großartig. Die ganze Luther-Geschichte war/ist so aktuell, könnte heute geschehen (die Mächtigen, die Geschäftsleute, die Banken, damals wie heute auf den eigenen Vorteil bedacht), und dagegen Luther, der zu eigenem Denken aufruft, dass man zu Freiheit und Wahrhaftigkeit stehen soll. Das ist bei mir besonders haften geblieben. Und, wie ich schon erwähnte, auch heute noch tauchen in meinem Kopf immer wieder blitzartig die sehr eingängigen Melodien – richtige Ohrwürmer – dieses Oratoriums auf. Ganz großartig fand ich, mit welcher Begeisterung die Chormitglieder bei der Sache waren. Das steckte einfach an, und ich bin mir sicher, dass dies auch beim Publikum so rüber kam. Und ich muss gestehen, dass ich es letzten Endes auch mal schön fand, nicht, wie bei unseren großen Werken bei der Kantorei, stets auf hundertprozentige Präzision achten zu müssen, einfach mal nur entspannt singen zu können.
Ein wenig bedauert habe ich, dass ich vom Darstellerischen der Protagonisten relativ wenig mitbekam, da man selbst mit dem eigenen Singen beschäftigt war. Vielleicht hätte man es so machen sollen wie von einem Bekannten mitgeteilt: Er hatte sich zunächst die Aufführung des Luther-Oratoriums, in dem sein Bruder mitsang, in Stuttgart angesehen, damit er das ganze Geschehen in sich aufnehmen konnte, und dann war er selbst als Sänger in Mannheim mit von der Partie.
Ich bin sehr froh, Teil dieses Pop-Oratoriums gewesen zu sein. Wer noch nicht dabei war, sollte es sich auf jeden Fall ansehen. Mitmachen kann er allerdings nicht mehr.