Chorwoche in Litauen

Seit 1995 findet jährlich im Sommer ein Chor- und Orgelseminar in Klaipeda statt, das vom litauischen evangelischen Kirchenmusikverband organisiert wird.
Das 20. Seminar in diesem Jahr war insofern herausragend, als die 60 Teilnehmer nicht nur aus Litauern bestanden: die Hälfte war aus Deutschland gekommen, dazu kamen noch zwei Schweizer. Die Vorsitzende des Verbands, Laura Matuzaite, die in Deutschland Kirchenmusik studiert hat und dank der Tagungen der EKEK (Europäische Konferenz für evangelische Kirchenmusik) Kontakte zu Kantoren im Westen pflegt, lud im Jahr 2008 den Schweizer Kantor Thomas Rink ein, ein Seminar zu leiten. Daraus entstand die Idee - nachdem Rink seit fünf Jahren Bezirkskantor in Überlingen ist -, auch Schweizer und Deutsche zu einer Musikwoche nach Litauen einzuladen. Die Chorleitung und den Orgelunterricht teilte er sich mit dem Lahrer Bezirkskantor Hermann Feist, und so war es naheliegend, dass die deutschen Teilnehmer alle aus dem Badischen kamen.
Für die Sänger war die Woche überwiegend der romantischen Chormusik gewidmet, wobei die beiden Kantoren nicht nur bekannte Werke von Mendelssohn, sondern auch Chorsätze von unbekannteren Komponisten wie Moritz Hauptmann oder Gustav Merkel ausgesucht hatten. Täglich wurde sechs Stunden geprobt, und während der eine Kantor den Chor leitete, gab der andere den jungen, hochmotivierten Orgelschülern Einzelunterricht. Laura gab in den Proben Übersetzungshilfe, auch Ingrida Liachaviče, die in Deutschland lebt und mit ihren Kindern die Sommerferien in Litauen bei ihrer Mutter verbrachte, stand Laura tatkräftig zur Seite. Ihr sind auch einige Übersetzungen von Chorsätzen zu verdanken, sodass z.B. Mendelssohns „Ehre sei dem Vater“ und Regers „Der Mond ist aufgegangen“ auch auf litauisch gesungen werden konnten. Die Zuhörer in den Konzerten dankten dies mit besonderem Applaus.
Unter den älteren litauischen Sängerinnen gab es einige, die recht gut deutsch sprachen, mit der jungen Generation unterhielt man sich auf englisch.
Die zum Teil etwas ernsten geistlichen Chorsätze wurden ergänzt durch einige litauische Volkslieder, natürlich auch „Ännchen von Tharau“ (der Brunnen mit der Ännchenfigur ist ein Touristenmagnet in Klaipeda).
In den Mittagspausen und an den langen, hellen Abenden war reichlich Gelegenheit, die Stadt kennenzulernen. Höhepunkte der musikalischen Begegnungswoche waren Konzerte im Universitätssaal in Klaipeda und in der schönen, alten Kirche in Vilkyškiai.
Bewegend war die Mitgestaltung des Sonntagsgottesdienstes in Šilute (früher Heydekrug) - neben einem großen Friedhof für deutsche und russische Soldaten, die in den furchtbaren Kämpfen des Herbstes 1944 sterben mussten, singt jetzt, 70 Jahre später, ein litauisch-deutscher Chor in der Kirche und umrahmt den Gottesdienst festlich!
Hier erhielten wir auch einige Informationen über die Situation der evangelischen Kirche in Litauen: im Gegensatz zur Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, als das Memelgebiet rein protestantisch war, sind die Gemeinden jetzt klein: nur 0,8% der Litauer sind protestantisch, im Memelgebiet 1,8%. Kirchensteuer beträgt 7€ pro Jahr pro Gemeindemitglied, wozu freiwillige Spenden kommen, um dem Pfarrer ein Existenzminimum zu ermöglichen.
Für uns hatte Laura Matuzaite noch drei Tagesfahrten organisiert, zuerst zur kurischen Nehrung, mit Besichtigung des Thomas-Mann-Hauses in Nida (Nidden) und einer Wanderung auf den Dünen, dann gab es eine Führung durch die Altstadt Klaipedas, eine Fahrt ins nördlich gelegene Kretinga schloss sich an, wo wir über die vielfältige Arbeit der Diakonie in Litauen informiert wurden. Am letzten Tag ging die Fahrt wieder memelaufwärts bis Skirsnemune (Christmemel) und Jurbarkas (Georgenburg), wo uns Lauras Ehemann, Pfarrer Mindaugas Kayris, von seiner Arbeit in Gemeinde und Diakonie berichtete. Den schönen Abschluss der Reise genossen wir dann alle bei einer zweistündigen Bootsfahrt auf der Memel bis an das Ufer von Tilsit, dem heute russischen Sovetsk.

Erika Hansert, Hohberg-Hofweier

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