Harmonische Begegnung von fast 60 Teilnehmern
Mit 56 Teilnehmern erlebte in diesem Jahr Anfang August die „Odenwälder Feriensingwoche“ in Weinheim-Ritschweier ihre 5. Durchführung. Unter der musikalischen Leitung von Karin Dannen-maier, Bezirkskantorin in Hessen, und Martin Lehr, Chorleiter und Oberstudienrat in Weinheim, fand die Woche wieder in Verbindung mit dem Landesverband evangelischer Kirchenchöre in Ba-den statt; neben langjährigen „Singwöchnern“ waren auch etliche „Frischlinge“ unter den Sängerin-nen und Sängern. Diese kamen aus Weinheim und Umgebung sowie aus ganz Deutschland von Ber-lin bis zum Bodensee im gastfreundlichen Schulungszentrum in Ritschweier zusammen, um sich acht Tage lang intensiv mit vorwiegend geistlichen Werken alter und neuer Meister zu beschäftigen.
Neben der thematischen Ausrichtung auf den 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit“ lag ein weiterer Schwerpunkt auf zahlreichen „Jubilaren“ des Jahres 2010, darunter v. a. der Vorklassiker Homilius, aber auch Schütz, Bach, Händel und andere. Wieder bereicherte ein kleines Orchester aus Teilneh-mern mit Flöten und Kontrabass das vielseitige Musizieren. Neben den Proben am Vormittag und Abend gab es die Möglichkeit zu Spaziergängen und Wanderungen, u. a. nach Weinheim, oder zu Exkursionen nach Ladenburg und Speyer.
Der stattliche Chor war insgesamt dreimal in der Markuskirche Weinheim zu hören: Gleich am zweiten Tag sang der Chor im Gottesdienst, und der Abschluss am Israel-Sonntag eine Woche spä-ter erfuhr nicht nur eine reichhaltige musikalische Ausgestaltung, sondern erhielt auch durch die „Gaienhofener Liturgie“ einen besonders festlichen Charakter. Tags zuvor war das Ergebnis der Probenarbeit der Woche in einem Abschluss-Singen vorgestellt worden, wobei unter großem Beifall der beeindruckten Zuhörer ein weitgespanntes Programm, auch mit Instrumentalmusik, geboten wurde. Besondere Begeisterung rief der ausgeglichene Chorklang bei durchmischter Aufstellung der Sängerinnen und Sänger hervor, die diese Herausforderung mit zwei Motetten der Renaissance glänzend meisterten. Stilistisch waren die dargebotenen Werke sehr weit gefächert und verlangten so einerseits von den Chormitgliedern viel Flexibilität, boten aber andererseits ein hohes Maß an Abwechslung: Das Programm enthielt altmeisterliche Vokalpolyphonie (Palestrina), venezianische Klangfreude (Viadana), plastische Dialoggestaltung (Schütz), heitere Tanzsätze (Praetorius bzw. Witt), unübertroffen vertonte Glaubensgewissheit (Bach), zu Herzen gehende Klanglichkeit (Hän-del), barocke Virtuosität (Pepusch), vielseitige Deklamationskunst (Homilius), geniale Verbindung von Ernst und Leichtigkeit (Mozart), erschütternde Dramatik (Mendelssohn), hochromantische Empfindung (Wolf) und eindringliche Textgestaltung (Distler). Den Rahmen für diese reiche Fülle boten Kantatensätze mit Instrumenten, zu Beginn von Bachs Vorgänger im Amt Kuhnau und zum Abschluss – im barocken Kantorenstil – von einem angeblich unbekannten süddeutschen Meister, dessen anonyme Gestalt sich allerdings letztlich in die des Chorleiters verwandelte.
Am Abend dann wurde die verdienstvolle Schar beim Kalten Buffet ein weiteres Mal von Schwes-ter Dominica und ihren Helfern verwöhnt; anschließend begann wieder einer jener legendären Bun-ten Abende, bei dem kein Auge trocken bleibt. Nach der musikalischen Harmonie zeigte sich nun die menschliche im gewohnt „niveau- und endlosen“ Programm mit vielen originellen Beiträgen; es ist immer wieder unglaublich, welche Talente sich in solch einer zusammengewürfelten Gruppe verbergen. So kamen neben den gabenreichen Dankesreden nicht nur Ritschweiemer Glossen zum Vortrag, sondern auch Schwaben und Sachsen traten auf, Bachs kochendes Kaffeewasser, allerlei anzügliches Getier wie zwei balzende Katzen, ein (Platz-)Hirsch samt Gespiel unter Eichbaumblät-tern, (Wer-)Wölfe, musikalische (Schweine-)Bandwürmer oder kreischende Möven namens Emma u. v. a. mehr, außerdem „Schön Ro(h)t(k)raut“, Schillers Schreibtisch, Schumanns Jean(s) und der Mond aus „Die lustigen Weiber von Windsor“.
Nach einer reich erfüllten und rundum gelungenen Woche hieß es dann wieder in alle Himmelsrich-tungen Abschied nehmen; mit vielen schönen Klängen, Anregungen und Erinnerungen im Gepäck geschah dies schon in der tröstlichen Erwartung eines Wiedersehens.
Bericht: M. Lehr, Bild: G. Junker